Artikel über die Stände im Kung Fu

Stände im Kung Fu – und das richtige Training derer

Allgemeines

Allen Kung Fu Stilen sind die Stände und deren Wichtigkeit gemein. Gibt es den einen oder anderen besonderen Stand in diesem oder jenem Stil, unterscheiden sich die Stände meist nur in ihren Namen.

Grundsätzlich ist es in jedem Stil wichtige Grundlage, die Stände gewissenhaft und ausführlich zu üben. In vielen Stilen findet man deshalb oft ein Set von Ständen, nicht selten „Ba Shi“ 八式 – acht Positionen genannt. Diese Sets helfen die wichtigsten und grundlegendsten Stände zu üben und sich an ihre Ausführung zu erinnern. Das Training sieht meist statisch mit langen Zeiten des Haltens der Positionen aus.

Ergänzend wird das Training der „Bufa“ 步法 – Schrittmethoden genutzt, um die Stellungen auch dynamisch zu üben.

Im Folgenden soll auf wichtige Gesichtspunkte bei den Ständen selbst und beim Training dieser eingegangen werden.

Zuerst werden die statischen Komponenten eines Standes oder Stellung betrachtet. Nimmt der Ausübende eine Stellung ein, so sollte er auf bestimmte, eigentlich immer geltende Kriterien achten:

  • die Fussstellung sollte korrekt sein. Fast ausnahmslos sollte die Fussspitze in dieselbe Richtung wie das Knie zeigen. Beim Standbein sollte der Fuss mit der gesamten Sohle, oder den Stilspezifisch formulierten wichtigen Teilen der Sohle, auf dem Boden aufgesetzt sein.
  • Die Beine sollten nicht unnötig angespannt sein oder unverhältnismäßig gestreckt. Ziel muss immer eine harmonische Gesamtstellung sein, die dem jeweiligen Stand sowohl zu Stabilität als auch zu Mobilität verhilft. Überstreckte Gelenke sind hier nur wenig hilfreich.
  • Wichtig ist die Beteiligung des Kua , des Beckens oder der Hüftregion. Hier liegt die Verbindung von den Beinen zum Rumpf. Ist das Kua nicht flexibel und offen, sind die Stellungen schwach und oft nur wenig effektiv.
  • Der Oberkörper sollte eigentlich immer aufrecht und gelöst sein. Nur wenige Stellungen verlangen tatsächlich einen vorgebeugten Oberkörper. Eine tiefe Mabu – Reiterstellung – zum Beispiel, sollte eigentlich immer mit aufrechtem Oberkörper ausgeführt werden.
  • Der Schwerpunkt, das Körperzentrum sollte gesunken und gelöst sein. Nur dann kann eine Stellung extrem Stabil werden. Diesnennt man meist „Rooting“ – Verwurzeln.

Für die dynamische Komponente der Stellung, oder den Bufa, gelten unter anderem folgende Kriterien:

  • Mobilität und Stabilität sollten Hand in Hand gehen. Ideal ergänzen sich beide und machen die andere Eigenschaft erst wirklich erfolgreich.
  • Bei der Bewegung sollten die Beine die Kriterien der statischen Stellung weiterhin umsetzen können, während der Oberkörper und die Arme zielgerichtet und agil sind.
  • Trotz der Ausführung in Bewegung, sollte der Schwerpunkt gesunken und die Struktur aufrechterhalten bleiben. Der Körper sollte „voll“ sein, sprich voller Energie und Intention.

Das Üben der Stände selbst und auf was es ankommt

Zuallererst, sollte man sich klar machen, dass das Üben der Stände ein wichtiger Punkt in jeder Kung Fu Ausbildung ist. Immer. Zu jeder Zeit der eigenen Ausbildung, auch wenn man schon 20 Jahre Training hinter sich hat. Das Training der Stände begleitet den Kung Fu Übenden sein ganzes Leben und erfährt unterschiedliche Level. Insofern sollte man sich mit diesem Training anfreunden und es als Möglichkeit sehen, sein Kung Fu grundlegend zu verbessern.

Der zweite Punkt ist die Einsicht, das das Training der Stände nicht nur dazu da ist, um die Stände zu verbessern. Es geht vielmehr um die Einsicht, das dieses Training der beste Weg zu guten Fähigkeiten im Kung Fu ist. Die richtige Ausführung der Stände bewirkt ein Training von vielerlei Dingen: Rooting, Struktur, Innere Ausgeglichenheit, Innere Stärke,

Entspanntheit uvm. So ist es nicht nur wichtig, in die Stände selbst zu gehen und diese „irgendwie“ zu halten, vielmehr die Übergänge von einem Stand in den nächsten, das „wie ich den Stand“ einnehme, ist von großer Wichtigkeit. Es sollte vermieden werden, einen Stand nur einfach zu stehen, einzunehmen.

Habe ich den Transfer verstanden, weiss ich wie ich in eine Position komme und was damit verbunden ist (die Anwendung der Stellung zum Beispiel), fällt es oftmals wesentlich leichter die Stellung korrekt einzunehmen und über längere Zeit zu halten. Der Stand ist lebendig und agil, obwohl ich in aller Stille stehe und reglos bin.

Übungen um die Stände zu verbessern

Um Stände möglichst effektiv trainieren zu können, sollten bestimmt Übungen immer wieder im Training ihren Platz finden.

Dabei ist nicht nur die Dehnung der Muskulatur wichtig, sondern vielmehr die Mobilisierung der Gelenke und der sie umgebenden Strukturen (Kapsel, Bänder, Sehnen). So sollte ein großes Augenmerk auf die Mobilisierung des Kua gelegt werden. Nur durch eine flexible und offene Hüftregion sind viele Stände erst effektiv und richtig auszuführen. Das Kua kann mal als die Region des Körpers verstehen, die sowohl Hüfte – Hüftgelenke, als auch das Becken selbst umfasst.

Eine der geeignetsten Übungen zur Verbesserung der Kua-Flexibilität ist das Armschwingen in Mabu 馬步. Hier wird in einer halbhohen Reiterstellung durch Bewegung des Beckens, die Arme in Schwung gebracht, so das die Arme jeweils vor und hinter dem Rumpf den Körper treffen. Wichtig bei der Ausführung dieser Übung ist:

  • Füße bleiben die gesamte Zeit parallel
  • Knie gehen vor und zurück, bleiben aber über den Füßen. Kein Einbrechen nach Innen oder Außen.
  • Die Standhöhe ist die gesamte Zeit über konstant. Kein Auf und Ab. Das Zentrum ist gesunken.
  • Die Arme sind locker und schwingen nur aufgrund der Bewegung aus dem Kua (Hüfte).
  • Weitere Übungen sind zB Beckeneindrehen in Bogenstellung (Gong Bu), tiefer Stand mit hinterem Fuß auf den Zehenspitzen – Bein gestreckt, um die Hüftgelenke zu dehnen etc.



Dehnungsübungen allgemein, um Beinmuskulatur und Gelenkstrukturen flexibler zu machen sind wichtig.



Fehler beim Üben einiger Stände

Einige Fehler werden beim Ausüben von Ständen, langsam oder schnell, leider immer wieder begangen.

Der häufigste Fehler ist der hintere Fuß in der Bogenstellung, Gong Bu oder Deng Shan Bu 蹬山步. Oft wird der hintere Fuß hier im 90° Winkel zur Seite stehen gelassen. Damit ist das hintere Bein dann mit dem Knie meist ebenfalls nach Außen gedreht und das Kua blockiert. Folge ist ein Bruch in der Kraftübertragung zur Faust. Techniken wie ein Gerader Fauststoß sind ohne Power. Der Fuß, das Knie und das gesamte Bein müssen eingedreht sein (Fuß und Knie zeigen in dieselbe Richtung!) um ca 40-50°. Nur dann ist das Kua offen und das Becken frei.



Deutlich ist die größere Reichweite des Fauststoßes zu erkennen und der verbesserte Einsatz der Hüfte.

Die Mabu 馬步 kann auf unterschiedlichste Weise ausgeführt werden. Es gibt sie in einer hohen Ausführung, in einer halbhohen mit 1,5 facher Schulterbreite, in einer weiten und tiefen, usw usf. Bei allen Ausführungen gilt: der Stand sollte den eigenen körperlichen Möglichkeiten entsprechen, was Weite und Tiefe angeht. Es hat wenig Sinn eine Mabu besonders tief auszuführen, wenn folgende Dinge nicht mehr eingehalten werden können:

  • Füße sind parallel
  • Knie zeigen in Richtung der Fußspitzen
  • Steißbein fällt nach unten, das Gesäß wird nicht nach hinten rausgestreckt
  • Oberkörper ist aufrecht, Kopf schiebt in Richtung Decke

Schlechte Ausführung Bessere Ausführung


Bei der schlechteren Ausführung sieht man deutlich, dass die Füße nicht mehr parallel sind, das Steißbein nicht nach unten fällt und der Kopf statt nach oben mit dem Kinn nach vorn schiebt.

Auch die Ausführung der Xu Bu 虛步 Leere Stellung oder Tigerreiter/Katzenstellung ist nicht einfach und man kann viele Fehler machen. Generell gilt in dieser Stellung wieder:

  • Das Steißbein sollte entspannt nach unten fallen, das Gesäß schiebt nicht nach hinten raus
  • Der Kopf schiebt nach oben
  • Der Oberkörper ist aufrecht

Besonders ist bei diesem Stand darauf zu achten das:

  • Der vordere Fuß ist „leer“ und liegt mit dem Fußballen auf
  • Das gesamte Gewicht ruht auf dem Standbein
  • Das Standbein ist gebeugt


Fazit

Achte ich beim Training der Stände auf ein richtiges „Alignment“ (Verbindung der Gelenke), auf die richtige Ausführung der Übergänge und der Stände selbst, kann das Training mir wesentliche Dinge des Kung Fu vermitteln und eine solide Basis schaffen. Es kann also nicht genug betont werden, wie wichtig das Training der Stände und ihrer „Transitionen“ sind. Wobei die Transitionen durchaus eine eigene Betrachtung wert sind, da hier noch weitere wesentliche Gesichtspunkte wichtig sind. Dafür bedarf es dann aber wohl einen eignen Artikel zu den Bu Fa.

Jochen Wolfgramm

Jochen Wolfgramm Geboren am 25. Mai 1965, studierte erst in Münster Philosophie, Sinologie und Germanistik, beendete 1998 seine Ausbildung zum Physiotherapeuten (Sportphysiotherapeut seit 2000) und arbeitet seitdem in diesem Beruf. Seit 1989 betreibt er Gong Fu. Erst Qi Xing Tang Lang und Taiji Quan, jetzt Babu Tang Lang, Tong Bei Quan und Taiji Quan.

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