Interview mit einem Schüler: Jens S.
Im Folgenden gibt ein fortgeschrittener Schüler der Zhen Wu einen Einblick in seinen „Gong Fu Lebenslauf“.
1. Wie alt bist Du und wie lange bist Du schon im Gong Fu unterwegs? Ich bin 53 Jahre alt. Seit fünf Jahren bin ich ernsthaft in Sachen Gong Fu, sprich Taiji, unterwegs. Allerdings hatte ich erste Einblicke ins Taiji bereits in den Jahren 2005 und 2006, oder 2006 und 2007, genau weiß ich das nicht mehr.
2. Was hat Dich damals dazu bewogen, mit Gong Fu anzufangen? Wie kamst Du zur Zhen Wu?
2005 oder 2006 hat mich und ein paar andere Arbeitskolleg/-innen im Jugendzentrum Westside in Versmold Mittwoch Abends einmal wöchentlich der Vater einer Praktikantin im Taiji trainiert. Das ging ungefähr zwei Jahre lang. Das Training damals tat mir körperlich gut und es herrschte eine lockere Gruppenstimmung. Es war dann etwas schade, dass unser Trainer nicht mehr weitermachen konnte. Und dann ist das mit dem Trainieren bei mir erst einmal wieder bis September 2015 eingeschlafen.
2014 ging es dann los mit extremen rechtsseitigen körperlichen Verspannungen, die so stark wurden, dass ich auf meiner rechten Körperseite nicht mehr liegen konnte. Da ich aber damals nichts an meinem Lebensalltag ändern wollte, blieben die Verspannungen und führten mit der Zeit mental auch zu depressiven Schüben. Irgendwie besann ich mich dann darauf, was mir einst körperlich gut tat, und ich machte mich in Osnabrück auf die Suche nach einer Möglichkeit, wieder Taiji zu praktizieren. Nach einer Weile stieß ich im Internet auf die Zhen Wu Internetseite. Und im ersten Kontakt wurde mir von Laoshi Jochen damals mitgeteilt, dass zurzeit ein Qi Gong Kurs im Bürgerpark einmal die Woche stattfände und ich auch gerne dorthin kommen könnte. Und das tat ich dann auch. So fand meine erste Begegnung mit Laoshi Jochen im Bürgerpark statt. Schon nach dieser ersten Stunde merkte ich, dass mir die Übungseinheit gut tat. Und nachdem das Angebot im Bürgerpark beendet war, ging ich zunächst einmal die Woche zum Qi Gong/Taiji-Training in die Zhen Wu Vereinsräume in der Hannoverschen Straße.
3. Wo liegt im Training Dein Fokus? Was trainierst Du zur Zeit am intensivsten?
Zurzeit trainiere ich vor allem meine Körperstruktur und versuche, meine Beweglichkeit etwas zu verbessern. Auch Qi Gong praktiziere ich fast täglich, gekoppelt mit anschließenden Grundtechniken des Taiji.
Eigentlich müsste ich noch viel mehr die Taiji Schwertform und gerade auch die Langform Taiji üben, aber dafür fehlt mir zuhause einfach der Platz und es fällt mir schwer, mich regelmäßig aufzuraffen, um geeignete Plätze aufzusuchen, um dort angemessen zu trainieren.
Das steht daher ganz oben auf meiner Liste: Versuchen, Langform und Schwertform mehr in mein alltägliches Training zu integrieren.
4. Was hat Dich dazu bewogen in der Zhen Wu zu bleiben?
Die Qualität des Trainings beeindruckte mich schon von Anfang an. Viele neue Impulse, kompetente Anleitung und ein klares Konzept von Kampfkunst mit allen Facetten, also sowohl Gesundheits- als auch Entspannungs- UND Kampfaspekte integriert, beeindrucken mich immer wieder sehr. Auch dass Laoshi Jochen es nach wie vor mit mir aushält, ist natürlich ein wichtiger Punkt. Gerade zu Beginn meiner Zeit im Zhen Wu war ich extrem wankelmütig und voller Zweifel, dass ich eigentlich nach jedem zweiten Training dachte: Shit, das ist mir alles zu viel, ich höre wieder auf!
Ich glaube in dieser Zeit bin ich für Laoshi Jochen ein anstrengender Schüler gewesen. Na ja, in gewisser Hinsicht bin ich das vielleicht auch heute noch, es hat sich aber gebessert. 😉
Die Verbesserung meines körperlichen und mentalen Zustands liegt eindeutig mit am Training, ein weiterer guter und wichtiger Punkt, warum ich bei der Zhen Wu geblieben bin und auch bleibe.
Je länger ich im Zhen Wu trainiere, umso intensiver wird es. Und das liegt ganz sicher daran, dass Laoshi Jochen genau weiß, wo jeder seiner Schüler steht und wie er jeden Einzelnen/jede Einzelne gezielt fordern und fördern kann, um das nächste Level zu erreichen. Immer vorausgesetzt, dass wir Schüler auch willens sind, uns darauf einzulassen. Lernen ist schließlich keine Einbahnstraße, sondern beruht auf wechselseitigem Vertrauen, der Bereitschaft des Schülers zu lernen und der Kompetenz des Lehrenden.
Durch die wachsende Beschäftigung mit dem Kampfaspekt des Taiji entsteht in mir langsam auch eine immer intensivere Taiji Kampfkunst- erfahrung, die mich selbst gerade mental in den letzten zwei Jahren deutlich verändert hat.
Die Ausbildung zum Assistenztrainer im Jahr 2019 hat mich zusätzlich motiviert, meine Kampfkunsterfahrungen durch regelmäßiges Training zu intensivieren. Gerade die Gemeinschaft der Assistenztrainer und der Fortgeschrittenen im Verein erlebe ich als große Bereicherung und möchte sie nicht missen.
Es gäbe noch einiges mehr zu schreiben, aber hier reicht es erst einmal, denke ich.
5. Gab es einen besonderen Moment in Deinem „Gong Fu Leben“ an den Du immer wieder zurück denken magst?
Der Abschluss der Assistenztrainerausbildung am 1. Dezember 2019 war für mich ein sehr bewegender Moment. All die Anstrengungen, die ich während der Ausbildung in den Seminaren erlebte, sowohl körperlich aber auch mental, hatten sich mit dem erfolgreichen Abschluss der Prüfung gelohnt! Ich hatte durchgehalten, nicht kapituliert, es geschafft!
Und dass ich von Laoshi Jochen dann auch noch ein Kalligraphie Set geschenkt bekam als Würdigung für mein Assistenztrainerengagement während der Trainingseinheiten im Verein, das seiner Ansicht nach auf einem guten Weg war, war schon sehr berührend.
In diesem Moment hatte ich wirklich voll und ganz das Gefühl: „Hier im Zhen Wu bin ich zuhause!“
6. Wie meinst Du, hast Du es geschafft, ein „Fortgeschrittener“ Schüler zu werden?
Ich wundere mich manchmal über mich selbst. Normalerweise hätten meine Selbstzweifel längst dazu führen müssen, alles in die Ecke zu schmeissen. Dem ist aber nicht so. Der strukturelle Rahmen des Trainings, die Autorität des Laoshi und die Gemeinschaft der Kampfesbrüder und –schwestern hat mich hier im Verein heimisch werden lassen und motiviert mich, alle Durststrecken, die ich natürlich immer wieder habe, auszuhalten und mich nicht von ihnen abschrecken zu lassen.
Jeden Tag ein bisschen zu tun, und wenn es nur 15 Minuten sind, sind in solchen Zeiten dann für mich ganz wichtig, um am Ball zu bleiben.
Und dann wird es von allein irgendwann wieder besser und ich kann wieder ausgiebiger und intensiver trainieren. Das Zauberwort für mich: Kontinuität. Jeden Tag das machen, was geht. Und wenn mehr geht als ein bisschen, dann mache ich ganz von allein wieder mehr und muss mich dazu auch nicht zwingen.
Die Überwindung des inneren Schweinehundes ist mein größter Kampf im Gong Fu. Und das geht nur durch Kontinuität. Zumindest für mich.
7. Was sind Deine Ziele für die Zukunft?
Taiji Langform und Schwertform müssen so selbstverständlich werden wie die Taiji Kurzform.
8. Gibt es Dinge die Du in der Zhen Wu vermisst?
Es gab mal die Idee, chinesische Feste gemeinsam zu feiern. Ich fände es schön, wenn wir das in 2021 gemeinsam angehen und umsetzen würden. Es müssen ja nicht gleich alle chinesischen Feste gefeiert werden. 😉
9. Was würdest Du einem Anfänger in der Zhen Wu gerne mit auf den Weg geben?
Trainiere zu Beginn zunächst ohne Erwartungen. Lass Dich auf das, was Dir begegnet, ein und versuche einfach, die Bewegungen zu machen, auch wenn Du sie noch nicht verstehst. Versuche das, was Du zu Beginn lernst, auch schon recht bald im täglichen oder zumindest regelmäßigen Training zuhause zu üben. Dann wird es mit der Zeit immer leichter.
Erhalte Dir bei aller Anstrengung, die Du gerade am Anfang erlebst ob der teilweise ungewohnten Bewegungsabläufe, immer den Spaß an der Kampfkunst! Denn wenn Du verkrampfst und es verbissen angehst, machst Du unter Umständen mehr kaputt als dass es Dich voranbringt.