von Nils und Stephan
Diesen Sonntag (04.10.2020) ging der vierte und letzte Teil der Miao Dao Seminarreihe zu Ende.Die umfangreichen Themen dieser Reihe waren die Miao Dao Grundtechniken, die Si Lu Form, die Partnerform zur Si Lu und eine Langform Variante, die „Linking Form“, die beide Teile der Partnerform kombiniert und mit einigen neuen Elementen verknüpft. In 20 Stunden war das meiner Meinung nach schon ein ganz schönes Programm, So gab es dann neben dem Einblick in eine tolle Waffe gleich mehrere tolle Formen, die mit entsprechender Übung unheimlich dynamisch ausgeführt werden können – also ein Ziel für die Zukunft auf das man hinarbeiten kann. Nils
2013 hatte ich das erste Mal ein Miao Dao in den Händen. Ich war auf dem zhenwu Camp in Beijing und sollte die Waffe für einen Mitschüler nach Deutschland bringen. Ich konnte mir seinerzeit nicht vorstellen, wie man mit so einer schweren Waffe kämpfen sollte.
Nun ergab sich bei Zhenwu Osnabrück die Möglichkeit, im Rahmen eines Lehrgangs Bekanntschaft mit der Waffenkunst des Miao Dao zu machen. In vier eintägigen Seminaren wurden Grundtechniken, eine Kurz- (silu) und Langform (linking miao dao) sowie eine Partnerform unterrichtet. Trainiert wurde mit einem Übungs-Miao Dao aus Bambus, dem Shinai. Bereits am ersten Seminartag im Februar war ich angetan von der Erfahrung, wie sich Körper und Waffe verbinden: Die Körpermechanik, die Bewegung aus der Mitte, ist entscheidend für die Durchschlagskraft der Waffe. Dies wurde insbesondere in den Partnerübungen deutlich, wenn das Shinai auf einen Widerstand stößt. Ein paar Tage später kam mir bei einem Waldspaziergang die Idee, dies einmal mit einem Ast auszuprobieren. Ich suchte mir einen auf dem Boden liegenden stabilen Ast und schlug in einer ausholenden Kreisbewegung gegen einen Baum (1. Grundtechnik). Dabei achtete ich darauf, die Bewegung nicht aus den Armen, sondern aus dem unteren Dantian entstehen zu lassen. Der Effekt war beeindruckend: Es brauchte nicht viel Kraft, um den stabilen Ast am Baum zu brechen, sondern die Körpermechanik war entscheidend. Genauso habe ich es dann auch mit einem Schlag von oben (5. Grundtechnik) ausprobiert, diesmal auf einen liegenden Baumstamm, später dann auf die Rückenlehne einer Holzbank (die Kerben, wo der massive Ast aufschlug und brach, sind heute noch zu sehen). Man mag sich nicht vorstellen, was eine Originalwaffe mit messerscharfer Klinge bei entsprechender Ausführung bei einem Gegner anrichtet.
Sehr hilfreich für das Erlernen der umfangreichen Techniken war die Gesamtkonzeption des Lehrgangs. Grundtechniken und Kurzform waren die Basis. In der Partnerform kamen dann neue Techniken hinzu. Die Langform setzt sich wiederum aus Techniken der Partner -und Kurzform zusammen. Bereits bekannte Techniken werden also neu kombiniert, was das Erlernen erleichtert.
Die größte Herausforderung stellte für mich jedoch die Partnerform dar. Zum einen wird erst hier der Sinn der Techniken deutlich, insbesondere der vielen unterschiedlichen Formen des Blockens. Die Form wird erst harmonisch, wenn die Techniken korrekt ausgeführt werden. Insofern bietet sie ein ideales Feedback. Andererseits ist sie auch mental eine Herausforderung, da man jede der vier Bahnen in zwei Varianten läuft. Man muss die Konzentration demzufolge ständig hoch halten, sonst verwechselt man leicht die auszuübende Rolle.
Höhepunkt war auf dem letzten Seminartag dann das `Sparring´ mit einem mit Schaumstoff überzogenen Holz-Miao Dao. Jeder durfte, mit Kopfschutz ausgerüstet, gegen unseren Sifu Jochen Wolfgramm antreten. Hier zeigte sich, dass wir noch ganz am Anfang sind. Mich erinnert mein verstauchtes Handgelenk heute noch an diesen Kampf. Bitte mehr davon, denn das Miao Dao hat mich eindeutig in seinen Bann gezogen. Stephan