Interview mit einem Schüler: Bernd F.
Im Folgenden gibt ein fortgeschrittener Schüler der Zhen Wu einen Einblick in seinen „Gong Fu Lebenslauf“.
- Wie alt bist Du und wie lange bist Du schon im Gong Fu unterwegs? Ich bin 55 Jahre jung. Wenn man meine erste Kariere im Tae Kwon Do und Kick Boxen mitzählt bin ich seit fast 40 Jahren in Sachen Kampfsport/-kunst unterwegs. Nach kurzer Recherche in historischen Unterlagen kam ich zur Annahme, dass ich vor etwa 27 Jahren zum Gong Fu im engeren Sinne gewechselt bin. Ehrlicherweise muß ich aber auch einige Jahre von Stillstand eingestehen, aus den üblichen Gründen wie Gesundheit bzw. Krankheit, beruflichen und familiären Veränderungen.
- Was hat Dich damals dazu bewogen, mit Gong Fu anzufangen? Wie kamst Du zur Zhen Wu?
Wie so vieles im Leben war hier der sogenannte Zufall beteiligt. Auf dem üblichen Weg zur Uni bemerkte ich eines Tages eine schwarz gekleidete Gruppe beim Training im Park. Laoshi Wolfgramm kam mir gleich bekannt vor, später stellte sich heraus, dass wird von der selben Eliteschmiede stammen. (Gymnasium, Achtung Ironie!) Die Assimilation passierte sofort und beim nächsten Training fand ich mich bereits innerhalb der Gruppe wieder. Wie so viele meiner Generation war ich von Kindheit an mit großem Interesse an Gong Fu aufgewachsen, der Soap-Berieselung unseres großen Bruders im wilden Westen sei dank. Die erste Berührung mit Gong Fu in echt war aber eben jenes Training im Park. Schnell merkte ich, dass der traditionelle Hase etwas anders läuft, als der den ich bisher aus dem sehr Sport-fokussierten Tae Kwon Do kannte. Anfangs verlor ich mich etwas in der Vielfalt des Angebotes wie Handformen, Partnerformen, mit und ohne verschiedenster Waffen, Taiji, Abhärtung, Wettkampf in unterschiedlichen Disziplinen… Irgendwann war ich satt, eine neue große Pause stand an, auch eingeleitet durch die Geburt meines Sohnes. Der Neueinstieg nach einigen Jahren gestaltete sich allerdings schwer. Mit viel weniger freier Zeit und einigen altersbedingter Zipperlein versuchte ich im Gong Fu wieder Fuß zu fassen. Aber auch im Unterricht hatte sich einiges verändert, neue Stile und neuer Fokus. Ich war überfordert oder nicht bereit, machte einen erneuten Reset und kam schließlich über Qigong und Taiji zu einem einigermassen regelmässigem Training zurück.
- Wo liegt im Training Dein Fokus? Was trainierst Du zur Zeit am intensivsten?
Mein Fokus liegt hauptsächlich auf Kontinuität und Harmonie, negativ könnte man das auch neumodisch als Wellness bezeichnen, wird der Sache in Wirklichkeit aber nicht gerecht. Selbst wenn man sich nur auf einen Teil des Gong Fu konzentriert kann man immer noch ein ganzes Universum erforschen. Für mich ist das jetzt Taiji, völlig ohne falschen Ehrgeiz, im Einklang mit dem was Zeit und Körper mir erlauben.
- Was hat Dich dazu bewogen in der Zhen Wu zu bleiben?
Wer wechselt freiwillig die Familie in der er sich wohl fühlt? Das Lehrangebot ist vielschichtig und trotzdem nicht esoterisch abgehoben. Mir ist bisher nichts vergleichbares über den Weg gelaufen.
- Gab es einen besonderen Moment in Deinem „Gong Fu Leben“ an den Du immer wieder zurück denken magst?
Nun ja, vermutlich die gute alte Zeit, wo alles besser war. Die ganze Gruppe war der harte Kern, es wurde immer bis zum umfallen trainiert, regelmäßig war nach dem Training ein Weg zur Theke zur Reanimation notwendig. Der Verein fuhr fast komplett zu Turnieren. Aber das war auch wirklich die Zeit bevor das Internet alles anders machte. Das soll natürlich nicht heissen, das heute alles schlecht ist.
- Wie meinst Du, hast Du es geschafft, ein „Fortgeschrittener“ Schüler zu werden?
Was immer das heissen mag. Man selbst vergleicht sich natürlich immer mit den anderen und kommt auch schnell zu falschen Schlüssen, ganz wie es dem Ego gefällt. Ich versuche dem immer entgegen zu wirken und mich selbst nicht so ernst zu nehmen. Fortgeschritten sein bedeutet auch mehr Verantwortung und Eigeninitiative zu zeigen, das ist zum Beispiel ein Punkt, wo ich einfach keine freie Energie für über habe. Bin ich also der ewig bemühte 😉
- Was sind Deine Ziele für die Zukunft?
Am Ball bleiben, Geist und Körper Gesund erhalten und vielleicht die Mein-Einsatz-Schraube etwas mehr anzuziehen.
- Gibt es Dinge die Du in der Zhen Wu vermisst?
Ich mit meinem Anspruch vermisse eigentlich nichts, so allgemein vermute ich aber dass das Wir-Gefühl insbesondere auch durch die Corona Irrungen und Wirrungen ziemlich gelitten hat.
- Was würdest Du einem Anfänger in der Zhen Wu gerne mit auf den Weg geben?
Aller Anfang ist schwer? Sicherlich, aber einige haben Talent andere nicht. Da soll man sich nicht verrückt machen lassen, wenn es anfangs nicht den eigenen Erwartungen gemäß läuft. Ich habe die Erfahrung gemacht, das es gerade denen, denen alles zufliegt oft an Kontinuität mangelt und deshalb auch schnell wieder draußen sind, bloß weil mal ein kleiner Stein im Weg lag. Wer für alles erreichte Kämpfen mußte, versteht vermutlich viel eher worum es im Gong Fu eigentlich geht.
再见
Danke, Bernd, für den interessanten Beitrag. Man merkt, dass du schon einige Jahre auf dem Buckel und ein vertieftes Wissen vom gong fu hast. (Auf jeden fall fundierter als meins)