Adam Hsu über „Purity of Styles“

In seinem Buch „Lone Sword against the cold, cold Sky“ schreibt der Taiwanesische Kung Fu Lehrer und Buchautor über die Reinheit der Kung Fu Stile:

„Although a good many people come to me hoping to resolve uncertainties about the purity and health of their Kung Fu, a significant number deeply believe what they practise is 100% pure. What are the elements of these convictions? Basically, we see three …

1. They believe in their styles, whether legendary or obscure, or their masters, whether world-famous or low profile. Some students are evensworn, closed-door disciples, their relationship to the master officialy sealed through a formal initiation ceremony.
2. Many believe their form is pure and traditional for a number of reasons. It is famous. It has one hundred and eight movements. Not one move is missing or incomplete. Or they’ve learned many of it’s forms, sometimes a great many. If the style has twenty-one, they do them all. And don’t forget the weapons!
3. They believe with a sincere heart. Their lives and practice reflect this dedication. If their martial arts histories include other systems, they were only temporary diversions. Now they’re on the right path. They attend tournaments, read books, some in Chinese, subscribe to magazines, watch all the Kung Fu movies, and own a good collection of videotapes and DVD’s. Their Kung Fu must be pure.

These factors however, are all external to the Kung Fu itself. Therefore these are not reliable indicators. To judge the purity of a person’s Kung Fu, I must see him practice. Only from watching his punching, kicking, turning, stepping, jumping – only from his movement – can I tell if what he does is pure KungFu or not. […]

For this reason, I treat a practioner’s personal history – meaning his master, style and forms – like name-brand clothing. With enough money, anyone can shop at Macy’s. But wearing the most stylish clothing does not automatically transform you into a fashion model nor does it necessarily make you beautiful. How do you carry yourself? Are your movements gracious and graceful? What about expression on your face, the look in your eye? Designer clothing with „stiff“ and „sour“ will not be flattering and could make you look worse. Likewise, incorrect practise of as many forms as you want in any great style you admire can make you worse, not better.
(Adam Hsu, Lone Sword against the cold, cold sky, Santa Cruz, 2006)

Ich finde diesen Passus aus seinem Buch deshalb bemerkenswert, da er tatsächlich auf so viele Kung Fu Praktizierende zutrifft.
Weitere Meinungen hierzu wären schön …

Jochen Wolfgramm

Jochen Wolfgramm Geboren am 25. Mai 1965, studierte erst in Münster Philosophie, Sinologie und Germanistik, beendete 1998 seine Ausbildung zum Physiotherapeuten (Sportphysiotherapeut seit 2000) und arbeitet seitdem in diesem Beruf. Seit 1989 betreibt er Gong Fu. Erst Qi Xing Tang Lang und Taiji Quan, jetzt Babu Tang Lang, Tong Bei Quan und Taiji Quan.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Peer

    Über diese ganze Geschichte mit verschiedenen Stilen usw fällt es mir ziemlich schwer etwas als gongfu-Neuling zu sagen, denn ich glaube dafür muss man schon etwas mehr in der Kungfuszene gesehen und kennengelernt haben.

    Aber aus meiner Sicht kann ich sowieso diese ganze Sache mit den Formen überhaupt garnicht nachvollziehen.
    Ich hab das Gefühl, dass wenn ich Basics wie zB die ganzen Tong Bei Sachen trainiere, viel besser vorankomme in meinem Kungfu und das auch deutlich in den Formen spüre, auch wenn ich sie nicht so regelmäßig trainiere.

    Trainiere ich hingegen fast nur Formen.. merke ich viel geringere Verbesserungen. Da übe ich lieber kleine Ausschnitte aus Formen in einer Bahn…
    Dadurch kann man mit verschiedenen Techniken viel mehr ins Detail gehen.

    Deshalb finde ich es auch extrem interessant neue Lehrer zu sehen und zu gucken, ob man irgendwo parallelen zu eigenen Übungen ziehen kann, um sie zu verbessern, oder teilweise einfach anders üben kann, oder neu verstehen.

    Aber wenn dieser neue Lehrer eine Form vorführt bringt einem das nicht soviel im Verständnis weiter, als wenn er zeigt wie er Kraft in einen Fauststoß bringt oder Würfe oder irgendwelche Strukturgeschichten……

    deshalb find ich das Zitat ganz cool: only from his movement – can I tell if what he does is pure KungFu or not

    am Ende geht es ja eh nur darum den Körper zu verstehen.. die verschiedenen Mechaniken und Verbindungen… und natürlich alles was darüber hinaus geht!
    Dadurch erhält man wahrscheinlich auch erst einen Zugang zu einem Stil und seinen Eigenschaften.

    Und dann kommen vielleicht Formen.. die versuchen all Dieses auf den Punkt zu bringen.

    Aber all das hat wohl wenig damit zu tun, ob es der geheime Stil der Familie X ist, der seit Jahrtausenden nicht verändert wurde.

  2. Bailung e.V.

    Also gut, nicht so viele Beiträge wie ich erhofft hatte, aber gut. Hier meine Gedanken dazu:

    Das was Adam Hsu da anspricht, deckt sich weitestgehend mit meinen Erfahrungen. Zuerst glaubt man, der Stil den man erlernt oder irgendwann sogar unterrichtet, ist der einzig wahre, beste und effektivste. Irgendwann kommt man aber dahinter, dass andere ähnliche oder sehr gleiche Prinzipien, Techniken und Herangehensweisen in ihrem Stil haben. Im Laufe der Zeit, je nachdem wie offen man selbst ist, trifft man andere Martial Artists und tauscht sich aus. Man trifft Lehrer die beeindrucken und die Perspektive ändern.
    Dann der Schock: es liegt nicht am Stil, es liegt am Training und am Lehrer, wie gut Dein Gong Fu irgendwann mal wird!

    Nun weiss ich allerdings, dass viele Gong Fu Praktizierende sklavisch an ihrem Stil hängen. Wenn Probleme auftauchen, gibt es nur die eine Überlegung: bei wem kann ich EXAKT den gleichen Stil weitermachen? Oft wird dann lieber ganz aufgehört, als in einem anderen Stil weitergemacht.
    Viel schlimmer noch: ich weiss dass viele offenen Auges bei einem schlechten Lehrer lernen. Schlecht aus unterschiedlichen Gründen: sein technisches Niveau ist nicht sehr hoch, seine Einstellung zum Gong Fu ist eine Katastrophe, seine Integrität ist zweifelhaft, seine Lehrmethoden sind einfach schlecht etc pp. Trotzdem findet kein Wechsel statt. Warum? Da die Angst, alle bisher gelernte Formen wieder zu „verlieren“ so groß ist. Weil der Glaube, der zur Zeit praktizierte Stil ist der einzig Wahre, so übermächtig ist.

    Ich kann nur sagen: Leute wacht auf!!! Es kommt NUR auf den Lehrer an. Und wenn ein Lehrer irgendwann nicht mehr das geben kann, was ihr braucht und sucht, findet einen neuen!

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