Lehrer, Schüler ein Leben lang?

Hallo,
nach langer Zeit melde ich mich wieder mit ein paar Gedanken hier im Blog. Es geht um die Lehrer sind auch nur Schüler Thematik. Ein Satz den so viele Lehrer sich gerne auf die Fahne schreiben: „Ein Lehrer bleibt Schüler ein Leben lang“ oder „auch Lehrer lernen ihr Leben lang dazu“. Aber stimmt das? oder besser: halten es wirklich alle so?

Angeregt zu diesem Artikel bin ich von einem neuen Schüler von mir, der selber eigentlich schon Lehrtätigkeit inne hatte und in einem anderen Kung Fu System schon sehr weit fortgeschritten ist. Trotzdem hat er den Weg zu mir gefunden und vor allem den Mut aufgebracht, dabei zu bleiben und weiter zu lernen. Seine Wissbegierde vor also größer als die Angst oder Scham davor, wieder als „kleiner“ Schüler in der Reihe zu stehen und von Vorn beginnen zu müssen. Dies ist in meinen Augen ein respektwürdiger Schritt und ich weiss wie schwer er ist, da ich ihn selbst schon gemacht habe.

Nachdem ich in einem System eigentlich schon fast fertig war, selbst den „Chief-Instructor“ Level verliehen bekam, hatte ich doch die Einsicht damals gewonnen, dass es mir sowohl an Wissen als auch an Können noch gehörig mangelte.  Es ergab sich zum Glück genau in dieser Zeit, dass ich einen neuen Lehrer traf.
Ich wagte den Schritt und wurde wieder Schüler. Stellte mich in die Reihe und lernte (fast) wieder wie am ersten Tag meiner Kung Fu Reise.
Eigentlich sollte dass doch kein Problem sein, oder? Ist es aber. Es kratzt am Ego und zwar gewaltig. Man hatte doch schon so viel erreicht und einen Status erlangt, der gefälligst respektiert werden sollte. Oder etwa nicht?

Lange Rede kurzer Sinn: man muss sich entscheiden was einem wichtiger ist. Das eigene Ego streicheln und pflegen oder zu sich selbst ehrlich sein und das tun was notwendig ist.

Lernen und sich klar machen das man sich mit Hilfe und Anleitung wirklich verbessern kann ist aus meiner Sicht elementar in jeder Kampfkunst. Höre ich auf, nach Verbesserung zu streben, ist der Rückschritt vorprogrammiert. Und manchmal muss ich den Schritt wagen und alte Gefilde verlassen, wohl bekanntem Terrain den Rücken kehren und Neues in Angriff nehmen.
Dabei ist aus meiner Sicht nicht der Stil das Entscheidende, sondern allein der Lehrer der mir zur Verfügung stehen kann.

Die ganze Thematik ist hier nur angekratzt. Das gebe ich zu. Noch viel liesse sich zu der Lehrersuche und dem Fortschritt von Schülern und die idealen Bedingungen hierzu sagen.
Aber vielleicht ein andersmal …

 

Jochen Wolfgramm

Jochen Wolfgramm Geboren am 25. Mai 1965, studierte erst in Münster Philosophie, Sinologie und Germanistik, beendete 1998 seine Ausbildung zum Physiotherapeuten (Sportphysiotherapeut seit 2000) und arbeitet seitdem in diesem Beruf. Seit 1989 betreibt er Gong Fu. Erst Qi Xing Tang Lang und Taiji Quan, jetzt Babu Tang Lang, Tong Bei Quan und Taiji Quan.

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