Übern Zaun – Nachbetrachtung

Am 24ten und 25ten September haben Friedhelm Tippner und ich ein Projekt in die Tat umgesetzt, dass wir schon lange im Auge hatten. Ein Seminar für unsere Schüler (und interessierte Externe) bei dem einfach mal der Lehrer der Schulen ausgetauscht wird.

Friedhelm zeigt eine Bewegung aus dem Liu He Ba Fa

Ziel war es natürlich, einen Einblick in das jeweils andere System und vor allem in den Unterricht zu bekommen. So habe ich am Samstag in Neuss in Friedhelms Schule (Ying Men e.V.) den Babu Tang Lang Stil vorgestellt und auch Einblicke in das Tong Bei und mein Verständnis der zu unterrichtenden Prinzipien gegeben. Wobei die Schüler der Ying Men Schule wirklich konzentriert und motiviert den Stoff quasi aufgesogen haben. Abschlussbetrachtung aus Sicht der Ying Men Schule.
Am Sonntag war Friedhelm dann bei uns in der Schule und hat seine Unterrichtskonzepte vorgestellt und Einblicke in sein Liu He Ba Fa gegeben. (Im Anschluss an meinen Beitrag, kommen ein paar von meinen Schülern zu Wort und schreiben über das Seminar aus ihrer Sicht.)

Anwendungen

Ich persönlich bin von unserer Idee absolut begeistert und habe das Wochenende sehr genossen. Ein Austausch von Ideen und Konzepten auf diese Weise zu unternehmen, halte ich ideal für Schulen, Lehrer und ihre Schüler. Das Friedhelm ein offener Mensch und Lehrer ist, hat uns so wirklich eine einmalige Gelegenheit gegeben um dieses Konzept in die Tat umzusetzen. Der Nutzen war für alle Beteiligten nicht zu übersehen und gerade deshalb hoffen wir in ähnlicher Weise auch in Zukunft solche Events umsetzen zu können.
Besonders habe ich bei meinem Teil des Seminars in Neuss, auch eben durch das Unterrichten anderer Schüler, die schon alle eine Menge gelernt hatten, viel Lernen können und habe ein Tolles Feedback erhalten. Das bringt mich als Lehrer wieder ein ganzes Stück weiter.
Insgesamt hoffen wir beide, dass noch weitere Lehrer unserem Beispiel folgen mögen und „über den Zaun“ schauen.

Hier nun Beiträge von Schülern des Bailung e.V.:

Kai-Ole:
Alles geschieht mit Absicht: Liu He Ba Fa mit Friedhelm Tippner

Am Sonntag ist uns erneut ein großartiges und bereicherndes Seminar geboten worden: Jochen Laoshi hat mit Friedhelm Tippner Laoshi einen Lehrer eingeladen, der es verstanden hat mit viel Witz und sehr anschaulich nicht nur Einblicke in den spannenden Stil der Ying Men Schule Neuss zu geben, sondern vor allem innere Prozesse und die Einsatzmöglichkeiten des Yi, der Intention oder Absicht, wie Friedhelm Laoshi zu übersetzen pflegte, zu vermitteln. Damit hat sich eine tolle Ergänzung der vergangenen Seminar-Highlights zu Routing und Strukturarbeit ergeben.

Im Liu He Ba Fa (6 Verbindungen 8 Methoden) werden Struktur und Spannung durch Spiralkraft erzeugt, die durch die richtige Intention ausgehend von den Füßen durch den ganzen Körper läuft und dann durch das Yi gelenkt werden kann. Neben dem Prinzip der Spiralkraft haben wir auch Wellenbewegungen eingeübt und am Partner ausprobieren können. Diese Prinzipien bieten neue nützliche Perspektiven auch für unserer tägliches Training und lassen sich wohl auch im Taiji und Babu-Tang Lang – Training weiter kultivieren und anwenden. Bereichert wurde das Seminar zudem durch Einblicke in Übungssets aus anderen Stilen, z.B. der Xing Yi – Linie von Friedhelm Laoshi ( „Ta Da“ – Übungen [„großes Schlagen“]). In die überaus komplexe Form des Liu He Ba Fa haben wir einen kurzen Einblick erhalten. Alles in allem also ein inspirierender Tag, der den Horizont wieder einmal ein Stück weiten konnte: vielen Dank!

Dennis:
Moin,

also: Wie ich Friedhelm schon bei verabschieden gesagt habe, fand ich es wieder sehr gut. Er schafft es das Wesentliche mit klaren Worte zu vermitteln, ohne jedliche mystische Esotherik. Eher wissenschaftlich. Er hat gute Bilder die sehr gut verdeutlichen wodrauf es ankommt. Das Seminar war sehr gut strukturiert und gab einen guten Einblick ins LiuHeBaFa. Unterschiede zu anderem und Besonderheiten klar hervorgehoben. Den Stil selber finde ich extrem anspruchsvoll (sehe ich als Vorteil) aber ich fühle mich persönlich noch nicht so weit, als dass ich das gut umsetzen, aufnehmen und verinnerlichen könnte. Ich kann mir aber nach mehr Verständnis des Ganzen vorstellen, dass dieser Stil alles abdeckt und fordert was mal gelernt hat – da bin ich aber noch nicht. Ich splitte zur Zeit noch auf und muss Entspannung und Kraftentwicklung getrennt von einander trainieren, da ich denke, dass es so im Moment mehr Sinn macht. Eine spätere Zusammenführung macht für mich mit LiuHeBaFa auf jeden Fall Sinn.
Tschö
Dennis


Andreas von Rönn:
Feedback:
Mir hat das Seminar und die Atmosphäre in der ganzen Gruppe zuerst einmal wirklich gut gefallen. Mir hat der offen-freundliche, humorvolle und dabei respektvolle Umgang untereinander sehr zugesagt. Ich habe Dich (Jochen Wolfgramm) als guten Gastgeber und Friedhelm Tippner als erklärungsfreudigen und kommunikativen Lehrer wahrgenommen und ihr standet beide für Fragen, Korrektur und weitere Erklärungen zur Verfügung. Zudem habe ich mich in den gemütlichen und hübsch eingerichteten Räumlichkeiten wohl gefühlt. Soviel zu den äußeren Gegebenheiten. Inhaltlich war das Seminar logisch aufgebaut.
Die Übungen wurden ausführlich und verständlich erklärt, so dass der Kopf soweit erstmal alles verstanden hat (nur der Körper wird eben noch etwas länger dafür brauchen!). Es war gut die Prinzipien zuerst im Einzelnen und anschließend Partnerweise zu üben. Sehr gut hat mir gefallen, dass Friedhelm Tippner stets darauf hingewiesen hat, wie wichtig Yi (Absicht/Wille) [und „dann erstmal lange gar nichts und dann erst irgendwann Qi“, bzw. die Erklärung, dass Yi das Qi steuern kann], Muskelspannung statt Anspannung (Verspannung), Körperstruktur und Bewegungsentwicklung (Welle und Spirale) sind und wie wichtig es insbesondere bei Partnerübungen ist, mit den Gedanken bzw. dem Yi ganz bei sich selbst zu bleiben und sich nicht durch die Berührung, Kraft oder Anwesenheit der anderen Person (Übungspartner_In, Angreifer_In) aus dem Konzept bringen zu lassen. Alles Dinge die mir noch schwer fallen und zum Teil sehr neu für mich sind. Das Seminar bot auf jeden Fall weitere gute Anreize, Übungen und Erklärungen zu diesen Thematiken und ich denke, dass ich einige Übungen oder Grundideen ganz stilunabhängig für mich aus dem Seminar mitnehmen kann, so dass mein Körper durch das Fühlen (vorausgesetzt ich übe aufmerksam) diese Prinzipien auch noch zu verstehen lernt.
Am Ende des Seminars noch das erste Bild der Form durchzugehen empfand ich als gute und wichtige Abrundung des Seminars, sozusagen die richtige abschließende Würzung oder Färbung des Seminars, denn ohne auf die einzige Form einzugehen hätte in dem Einführungsseminar definitiv etwas gefehlt, doch so war alles schlüssig. Trotzdem denke ich werde ich das erste Bild der Form (bewusst) schnell wieder vergessen und mich eher den anderen bereits erwähnten Aspekten widmen und versuchen, daraus etwas für mein eigenes Training mitzunehmen sowie ebenfalls für mein geschichtliches Interesse an den chinesischen Kampfkünsten, das auf jeden Fall an diesem Tag ein wenig größer wurde.
Einziger Nachteil (den ich allerdings immer wieder bei verschiedensten Einführungs- oder Schnupperseminaren erlebe) war, dass durch die vielen ausführlichen Erklärungen die Bewegung manchmal etwas zu kurz kommen. Dadurch wurden meine Muskeln abwechselnd warm und wieder kalt, was zunehmend ein leichtes körperliches Unbehagen (etwa Verspannung, Steifheit, Müdigkeit, sinkende Konzentration) bei mir verursachte. Aber wie gesagt, das habe ich schon öfters erlebt und dass sind, denke ich, die zwei Seiten eines Einführungsseminars. Ich hätte mich gerne mehr bewegt, doch ich bin froh über die vielen Erklärungen und Anekdoten und hätte nichts davon vermissen wollen. Wie Friedhelm Tippner sagte muss ja eben zuerst eine Grundlage geschaffen werden, über die man dann gemeinsam reden kann. Dieses ist Ihm, denke ich, gut gelungen.

Jochen Wolfgramm

Jochen Wolfgramm Geboren am 25. Mai 1965, studierte erst in Münster Philosophie, Sinologie und Germanistik, beendete 1998 seine Ausbildung zum Physiotherapeuten (Sportphysiotherapeut seit 2000) und arbeitet seitdem in diesem Beruf. Seit 1989 betreibt er Gong Fu. Erst Qi Xing Tang Lang und Taiji Quan, jetzt Babu Tang Lang, Tong Bei Quan und Taiji Quan.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Stephan

    Friedhelm ist eine sehr angenehme Persönlichkeit, bodenständig, völlig ohne Selbstinszenierungsgehabe, unkompliziert, einfühlsam – und mit einem enormen Wissen sowie ausgezeichneter Kompetenz. Es war sehr angenehm, mit ihm zu trainieren. Manchmal hatte er auch etwas Selbstunsicheres („wenn es euch zu langsam oder zu schnell ist, dann ..“), aber das macht ihn nur noch menschlicher. Dozenten, die vor Selbstbewusstsein strotzen, sind mir suspekt.

    Die Mischung zwischen Theorie und Praxis sowie der Aufbau des Seminars waren insgesamt gut und ausgewogen. Im zweiten Teil war es für mich zum Teil etwas zuviel Theorie, auch schien Friedhelm zwischendurch etwas den Faden verloren zu haben (nicht den Goldenen): Zum Beispiel wurde das vorher angekündigte eigenständige Üben bestimmter Sequenzen nicht durchgeführt .

    Ich hätte stattessen gerne noch ein Bild der Form kennen gelernt (ok, das ist auch meine Ungelduld). Insgesamt zeigt es mir aber, dass der Stil des Liu he bafa mir zusagt.

    Interessant und für mich persönlich relevant finde ich neben den praktischen Anwendungen insbesondere die Frage der Auswirkung auf die Persönlichkeit insgesamt. Ich selbst praktiziere TaiChi nun nicht mit dem Ziel, mich auf Wettkämpfen mit anderen zu `kloppen´ – das überlasse ich mal den jungen Wilden. Ich sehe das für mich eher ganzheitlicher (deswegen auch meine Frage nach der Auswirkung auf die Persönlichkeit). Andererseits muss ich zugeben: Das Bewusstsein, im Falle eines Angriffs `auf der Strasse´ im Sinne des Selbstschutzes reagieren zu können, tut schon irgendwie gut, gibt Sicherheit.

Schreibe einen Kommentar